Um ehrlich zu sein, bin ich selbst meisten überrascht. Ganz ehrlich, so wie die letzten Jahre verlaufen sind, dachte ich nicht, dass ich es bis hierherschaffe.

Ich weiß auch nicht das genaue Datum, aber ich weiß, dass es wohl kurz vor Weihnachten 1972 war.

 

Und wie fange ich das nun an? Es stimmt ja - wir bewegen uns langsam auf Weihnachten zu. Gestern war ich auf der Bühne, mit der Gitarre, und es war auch Publikum da. Und irgendwie finde ich es passend das jetzt als den Tag meines Bühnenjubiläums zu nehmen. 

50 Jahre - da darf man(n) doch mal zurück denken - oder?

Ich mache das jetzt einfach.

 

Ich weiß ehrlich gesagt nur aus Erzählungen, dass es so war, dass ich noch bevor ich zur Schule kam mit zwei anderen im Kindergarten Musik zu irgendeinem Anlass gemacht habe. Und dass es kurz vor der Adventszeit war. Wer erzählt einem davon? Na Mama!

Also ein anerkannter Zeitzeuge. Allerdings ist eine Mama kein guter Messwert für Qualität einer solchen Veranstaltung. Da aber vermutlich keiner das Gegenteil beweisen kann, verbuche ich es egoistisch als Erfolg!

Also nach Auswertung der vorliegenden Fakten war ich 1972 zum ersten Mal auf der Bühne!

 

Oh je - das bedeutet automatisch, dass ich Alt bin!

Auch ohne Erinnerungen daran - es muss mir Spaß gemacht haben, denn sonst wäre doch das Thema Musik schnell erledigt gewesen.  Aber trotzdem habe ich ein beruhigendes Gefühl, dass damals Smartphones und Social Media lange noch nicht erfunden waren.

Meine Mama hat viele Sachen akribisch aufbewahrt, so weiß ich, dass ich am 15. Juni 1980 um 13:00 mich für das Straßenfest ein gegroovt habe. Es gibt auch Fotos aus den Folgejahren. Allerdings habe ich wohl immer das Gleiche angehabt, bloß meine Orgel (Gitarre kam erst viel später dazu) steht immer irgendwo anders.... 

Gäbe es nicht die Beweisbilder, und meine Mama, dann würde ich nichts davon wissen. Erinnerungen habe ich da keine mehr daran. Obwohl ich "schon" 13 war, oder erst? Auf jeden Fall weiß ich, dass ich hier noch ganz andere Erfahrungen hinter mir hatte, aber das ist ein anderes Thema. 

Auch viele Jahre danach sind aus meinem Gedächtnis verschwunden. Ich weiß, dass ich nochmal 7 Jahre später meiner Heimat den Rücken gekehrt habe. Und dass ich, als ich von daheim wegging, eine stattliche Anzahl an Instrumenten gespielt habe. Neben der Orgel gab es da das Waldhorn (im Orchester), Xylophon in dem Schulorchester, zählt eigentlich Melodica auch? ich habe außerdem auch ein bisschen Schlagzeug gespielt (zum Leidwesen meiner Family und aller Nachbarn) und eben Gitarre. Letztere habe ich bei Clemens Bittlinger gelernt. Lange war es mir schon etwas peinlich, weil Clemens Pfarrer wurde, und ich doch eher der Rocker….   

Nach dem Disaster meiner Rock Band in der Baracke in Königshofen (das habe ich schon so oft ausführlicher erzählt, deshalb überspringe ich das hier etwas): 

Im Neugebauten Jugendzentrum habe ich mich einer Rockband angeschlossen. Das muss so 1984 herum gewesen sein. Wir haben die großen Rocksongs nachgespielt. Mein Hauptinstrument war damals noch das Keyboard. Mit ein paar Schnüren und einem großen Gitarrengurt habe ich es mir umgehängt wie einer Gitarre...  Aber bei vielen Songs "musste" ich die Gitarre nehmen. 

Legendär war damals die Teilnahme an einer Faschingsveranstaltung. Unser Proberaum war mittlerweile in der Rhön, in einem Vereinshaus. Wir wurden genötigt uns an der alljährigen Faschingsveranstaltung zu beteiligen. Okay, wir haben so als Gag den Klassikern, die wir eh schon spielten, deutsche Texte verpasst. Das kam tierisch gut an. 

In diesem Teil meines Lebens passierten dann auch Sachen wo ich nicht nur das Opfer war, sondern auch oft ausgeteilt habe. Musik geriet so ein bisschen ins Wanken. Ich war mit den bösen Buben unterwegs. Motorrad, Club usw. Und dann habe ich - Gott sei Dank - doch die Kurve bekommen. Ich habe alles hinter mir gelassen, bin ins weit entfernte Allgäu gezogen, und hab versucht hier neu anzufangen. Neben der Berufsausbildung zum Krankenpfleger, habe ich zum einen ganz viel im Rettungsdienst gemacht - nebenamtlich - keine Ahnung ob es das so noch gibt? Und eben auch wieder viel mit Musik. Boshafte Menschen haben immer gesagt ich würde aussehen wie Wolle Petry. Und wirklich wahr: Eines Tages mit einer Freundin beim Pizza Essen im Lokal, steht auf einmal ein Typ am Tisch und wollte ein Autogramm. Was für eine Schande - dachte ich. Denn ich pflegte wieder zunehmend mein Rocker Image. 

Im Allgäu war ich mit Bands wie "Ohrwatschltod" oder "Total Daneben" unterwegs. 

1990 - Staatsexamen in der Tasche - und sofort Umzug nach Großhadern, Dort habe ich in der Anästhesie meinen nächsten Karrieresprung anvisiert. 

Und München machte es auch möglich mehr Kontakte zu knüpfen. In einem großen Musikhaus in der Landsberger Straße (gibt es heute nicht mehr) habe ich einen Basser kennen gelernt. Wir haben die Verkäufer glaube ich zum Wahnsinn gebracht, aber direkt vor Ort beschlossen dass wir zusamen eine Band gründen müssen. 

So geschah es. Und so kamen die ersten Songs aus meiner Feder, die ich bis heute gerne spiele. Wir haben die Münchner Szene wie auch die des feinfülig genannten Hinterlands gerockt. Bis ich mich 1993 erneut beruflich verändern wollte und zurück ins Allgäu gezogen bin. Mittlerweile war ich Fachpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin. Da ich mich aber fortan auf dem Rettungshubschrauber beweisen durfte, war der Umzug nötig. 

Ironischer Weise musste ich praktische Stunden im Rettungsdienst nachweisen, damit ich auch den Titel Rettungsassistent tragen durfte. Außerdem musste ich zusätzliche Fortbildungen nachweisen, zum Beispiel die Winche (Winschen, Winde). Beides konnte ich vom Allgäu aus besser und schneller erledigen. 

Musikalisch nochmal eine Abstinenz. Denn Kaufbeuren Rettungsdienst. Landsberg SAR Winche. ASB München Luftretter. 

Wenn Du mal bei einem meiner Erste-Hilfe-Kurse warst, dann weißt Du, warum ich das alles nicht mehr machen kann.  Hier möchte ich zurück zum Thema Musik kommen...

Okay, über meine Odyssee als Veranstalter habe ich glaube ich auch schon oft genug geschrieben. Auf der Bühne war ich 93 mit FRINX unterwegs. Das war schon sehr kontrastreich. Musikalisch war es schon Rock. Aber eben nicht mehr so Gitarren-Rock in's Gesicht. Es war sehr Keyboard lastig. Spannend war, dass Deutschland für uns Clubkonzerte waren. Ich erinnere mich an einen Auftritt in Obergünzburg - ohne zahlende Gäste. Und das Wochenende darauf dann ein Open Air in Österreich wo es tausende waren. Total verrückt. 

Aber mein Rockerherz litt damals unter dem Keyboard-Einfluss - deswegen haben wir eine spannende Lösung gefunden. Ein Splitt - die Shows hießen dann je nach dem THE FRINX & Doc Fetzer, oder eben Doc Fetzer & THE FRINX. Soweit ich mich erinnere, halt Spinnereien, mit denen ich heute nichts mehr anfangen kann. 

Aber von der Sache her - auch total spannend - erste Erfahrungen im Ausland zu spielen. Damals noch eine gewaltige Sache - ich sage nur Zoll!

Schlimmstes Erlebnis: früh morgens um 5 Grenze am Bodensee. Ausreise Schweiz. Unsere Hänger waren mit Plomben versehen. Der Schweizer Grenzer verlangte, dass wir alle Hänger aufmachen. Wir mussten alles auspacken, und Kabel für Kabel zeigen, dass noch alles vorhanden ist. Und dann haben tatsächlich 3 Kabel gefehlt, 2 XLR 1 Klinke...

Ich kann es nicht mehr sagen, wann welcher Zwischenstopp endete, wann ein neuer begann. Auf jeden Fall habe ich nach THE FRINX irgendwann bei der Cover-Rockband Arizona angeheuert. Das war wieder genau mein Ding - wir haben ausschließlich auf Motorradtreffen gespielt. Bei kleinen Events waren es so 500 Besucher - glaube der größte war Mittelneufnach mit angeblich knapp 10.000. 

Worauf ich heute noch manchmal angesprochen werde: Ich hatte mit meinem Motorrad einen Verkehrsunfall. Ergebnis linke Seite 2 Rippen gebrochen, rechts Kniescheibe gebrochen. Tags drauf Auftritt - Motorradtreffen. Glaube Blöcktach war das - auf jeden Fall hat mir der Club, der das Treffen veranstaltet hat, extra eine Steh-Liege-Hilfe gebaut. Ich lag da fast drinnen, war aber so weit aufgerichtet, dass ich Blickkontakt zum Publikum hatte. Schon das Gitarre spielen war eine schmerzhafte Sache - richtig heftig wurde es, wenn ich sang! Gruseliger Nebeneffekt waren die Redon Drainagen Brustkorb und Knie - die jede Menge Blut auffingen. 

Ende der 90er war es für mich zu langweilig geworden - immer nur nachspielen. Aber ich wusste auch, dass es nicht einfach ist mit eigenen Songs etwas zu bewegen. So gründete ich mit meiner damaligen Freundin die Band Wheep Up. 

Was uns auszeichnete und so ein bisschen Alleinstellungsmerkmal war - wir haben zwar auch gecovert, aber eben auch eigene Songs gespielt. Schnell hatten wir so eine Art "Geheimtipp" Status. Wir wurden oft und viel von den Großkopferten für Geburtstage usw. gebucht, aber auch für Hallen- und Zeltfeste. Selbst das Fernsehen hatte Interesse an uns gefunden. Der Radius wurde immer Größer - in dem wir uns bewegten. Einmal wurden wir für einen Auftritt in Aachen gebucht. Da wir wegen der Spritkosten bedenken hatten, schickte uns der Veranstalter einen Reisebus - wir waren zu viert.... 

2009 habe ich nach zig Umbesetzungen die Band Wheep Up in den Urlaub geschickt (das ist immer noch der offizielle Status). Ich fand Gefallen daran mit der Akustikgitarre loszuziehen. Weg mit starren Band-Formationen. Manchmal habe ich Auftritte in großen Hallen ganz allein gespielt, manchmal im kleinen Irish Pub mit einer 7-köpfigen Band gespielt. Hier stand längst meine Entscheidung - wenn ich auf die Bühne gehe, dann will ich da Spaß haben. Ich wollte mir nicht mehr sagen lassen, was ich spielen darf, und was nicht. Und der Erfolg gab mir Recht. Es waren jetzt nicht mehr die großen Bühnen, eher die kleinen Clubs. Aber es hat immer Spaß gemacht. Und die Bezahlung - die war immer okay! Und wenn ich Bock dazu hatte - auch gerne Straßenmusik! 

Sagte mir einer, mit "Kirchenmusik" da kannst nur in der Kirche spielen. Moment - da war doch was - Worship... Okay also Worship Band gegründet und auf "normalen" Festivals gespielt. Auch mal vor 1000 und mehr, und auch an abgefahrenen Orten. Das Bild hier ist in der Kaufbeurer Zeppelinhalle entstanden. 

Oder mal schnell ne Rockband-Formation auf eine große Bühne zu stellen? Logo - das Bild hier stammt aus der Karthalle Kaufbeuren im Vorprogramm von Barock. 

Nicht falsch verstehen, es mussten nicht immer die großen Events sein. Aber es hat natürlich Spaß gemacht das zu bespielen. 

Für mich war es immer das höchste der Gefühle. Im Saal wird es dunkel. Man hört die Stimmen vom Publikum. Im Dunkel schleicht man zu den Instrumenten, dann geht das Licht auf der Bühne an, und jetzt entscheiden Sekunden wie der Abend verläuft. 

Ich habe es oft geschafft dass der Funke überspringt - und das sind Erlebnisse die mir keiner mehr nimmt!

Und dann kommt irgendwann ein saublöder Wendepunkt. Irgendwie von Jetzt auf gleich ist alles anders. Eben war noch (fast) alles okay, und plötzlich wird es eher finster. 

Dann kommen Momente, wo man froh ist von Erinnerungen zehren zu können. 

 

Ich gebe offen zu - ich habe immer gedacht, okay, da stehe ich drüber. Das kann ich alles wieder geradebiegen. Ihr werdet schon sehen - mich kriegt ihr nicht unter. Redet nur - von wegen jetzt ist alles aus. 

Ich zeig es Euch und dann werdet ihr schweigen müssen.... 

Aber - dann machst Du irgendwann die Augen auf, du bekommst noch mit wie ein Schlauch aus deinem Hals gezogen wird. Neben Deinem Bett erkennst Du den Arzt den Du doch kennst. Der schaut Dich mit ernstem Gesicht an und sagt "Fast wäre das schief gegangen!" 

Du kämpfst und versuchst wieder auf die Beine zu kommen. Alte Bühnenbegleiter/innen schreiben Dir was Du gefälligst nicht tun darfst usw. Und überhaupt sei es ja nicht schlimm bei Dir (Aneurysmen im Bauch, die bei der OP Platzen.... pahh...) denn man hätte ja selbst gerade einen Todesfall in der Familie. Und überhaupt redet man künftig nicht mehr mit Dir. 

Ich weiß noch die unzählbar langen Tage, bis ich neben meinem Bett stehen konnte.  Die Schmerzen - die immer noch da sind - heute Jahre nach der OP! Ich weiß noch wie ich zwei Schritte ging, und mich fühlte als wäre ich gerade beim Marathon Lauf zum Stillstand gekommen. 

Anfangs habe ich noch mitgezählt. Hunderte Krankenhausaufenthalte. Und gefühlt jedes Mal kam neues auf meine Liste der Erkrankung dazu. Einige Folgeoperationen. Verlust von einigen Körperfunktionen. Ich hatte mir alles schon ausgemalt. Ich stand schon ein paar Mal auf einem Dach und wollte springen. Aber - wie Du siehst - ich habe es nicht gemacht. 

Aufhören mit Musik? Bist du deppert? 

Natürlich habe ich auch wieder Möglichkeiten gefunden live zu spielen. Funktioniert hat sowas mit Roadies. Also Menschen, die ich meistens bezahlt habe, dafür, dass sie Meine Sachen von A nach B und wieder zurückbringen, mir meine Sachen auf- und abbauen.... 

 

Ich habe neulich eine Social Media Kampagne gemacht. Absichtlich habe ich als Zitat ganz oft verwendet: "Ohne Musik - Ohne Mich!" 

Ich werde es immer versuchen mit der Gitarre in der Hand vor Menschen zu stehen - okay mittlerweile zu sitzen - und versuchen mit mit meiner Gitarre und meiner Stimme dazu beizutragen, dass der/die Zuhörer eine gute Zeit mit mir verbringt

Ich bin froh um diese 50 Jahre mit Musik. Soweit ich es kann, denke ich gerne an jede Person zurück, mit der ich musikalisch zu tun hatte. Mit der einen oder anderen Träne im Auge, denke ich oft an diejenigen die bereits gestorben sind. . Auch die "Berühmtheiten" mit denen ich zu tun hatte. wie zum Beispiel: 

Peter Maffay, Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen, Rodgau Monotones, Tote Hosen, Barclay James Harvest, The Lords, Uriah Heep, Nazareth, Slade, Whitesnake, Bonfire, und viele viele mehr. 

Ich danke vor allem aber Gott, der mir das alles überhaupt ermöglicht hat!