Die Party beginnt!

Ha - heute ist es wieder so weit. Weihnachten! Ne falsch, erst morgen, oder was oder wie? Früher war das bei mir so, wie bestimmt bei vielen anderen auch. An Weihnachten wird man nachdenklich, besinnlich, traditionell liegt da Schnee, man wartet auf das Christkind und auf Geschenke. Das Christkind war in meiner kindlichen Vorstellung immer so eine Art Engel, ein Mädchen mit lockigen blonden Haaren, das in einer Art Nachthemd umherschleicht und Geschenke verteilt. Und wenn es endlich da war, dann hat eine Glocke geläutet, wir Kinder sind dann aus dem Zimmer - in dem wir geduldig gewartet haben - gestürmt um unter dem geschmücktem Christbaum dann möglichst viele Geschenke zu finden. Das Grippen Spiel habe ich nur schwerlich verstehen können und wollen, und den Zusammenhang mit dem Christkind, habe ich für viele Jahre gar nicht kapiert. 

Zur Kirche hatte ich immer ein gespaltenes Verhältnis. Auf der einen Seite die Gewissheit, dass da was ist, auf der anderen Seite so ein Unverständnis, warum der liebe Gott so viel schlechtes zulässt. Nicht nur in der Welt, auch das was mir passiert ist, und vor allem was mir durch Vertreter der Kirche passiert ist. 

Je älter ich wurde, desto seltsamer wurde mein Verhältnis zu Weihnachten. Natürlich wusste ich längst, dass es das Christkind aus meiner Vorstellung genauso wenig gibt, wie den Weihnachtsmann. Irgendwann fing ich an selbst Nikolaus zu spielen. Mir gefiel aber immer die Idee was gutes zu tun, speziell an Weihnachten. Und so fing ich also schon als Teenie an, dass ich zur Weihnachtszeit in Krankenhäusern und Altenheimen Musik machte. 

Es war einfach ein cooles Gefühl, wenn ich sah, dass ich etwas dazu beitragen konnte, dass es den Menschen etwas wärmer ums Herz wird. Die Kirche als Institution hingegen konnte ich immer weniger verstehen. Wusste ich doch längst,  dass das was mir passiert ist - auch vielen anderen passiert ist. Und dass es die "Chefs" in der Kirche wissen, was sich da so tut - aber nichts unternehmen. Aber ich hatte mich eh damit arrangiert,  das und all den anderen Müll im Mantel des Vergessens zu beerdigen in meinen Erinnerungen. In einer Art Sack, den ich fest verschnürt habe, und dann in eine Ecke gestellt habe um ihn da auch zu vergessen.

Also war da erstmal wieder Platz für neuen Müll, und ich habe keine Sekunde gewartet um reichlich neuen "Seelenmüll" zu produzieren, den ich dann auch wieder verpackt habe und das habe ich dann wieder und wieder so gemacht. Zum Ausgleich habe ich mir einen Beruf gewählt in dem man einfach immer Gutes tut. Zu erst habe ich im klinischen Bereich gearbeitet, dann im Rettungsdienst. Und siehe da, auch da kann man reichlich "Seelenmüll" aufsammeln. Ja und auch da hat es geklappt - alles verpacken, wegsperren und vergessen!

Was ich über viele Jahre geschafft habe wegzusperren, fiel mir dann als längst erwachsener Mann immer mehr auf die Füße. Lange war es mir gar nicht bewusst, was da so passiert. Ist doch sicherlich bei allen so, dass man sich nicht an die Kindheit erinnert. Oder maximal an ein paar weinige Momente. Okay, da blitzen immer mal schreckliche Sachen hoch, aber die kann ich doch bestimmt gleich wieder vergessen. Hey, und dass mir Leute Sachen erzählen, was ich angeblich gemacht habe, da verwechselt man mich bestimmt - oder? Garantiert geht das allen so, dass denen Teile von den Tagen der letzten Woche ganz fehlen. Wer soll sich das schon alles merken. Und wie bin ich eigentlich heute von der Arbeit heimgekommen? Egal - ich bin ja jetzt daheim. Und das peinliche Zeug, das mir der Nachbar erzählt, was ich angeblich gemacht habe - das ist bestimmt reine Erfindung. Der will mich doch nur aufziehen. Oder?

Auf einmal habe ich dann angefangen nachzudenken. Weil mir so viel Erinnerung fehlt, weil ich so viele körperliche Gebrechen habe, und mir nicht erklären kann wo ich die herhabe. Und die Müllsäcke in den Ecken meiner Erinnerungen - langsam bekommen die immer mehr Risse. Und plötzlich spüre ich es wieder, so als wäre es eben erst passiert, dass ich das Messer in den Arm gerammt bekomme. Und erst denke ich "so ein Blödsinn, bestimmt nur ein schlechter Traum!" dann schaue ich auf meinen Arm - und da ist die Narbe - genau da wo ich eben den Schmerz gespürt habe. Die kleine Narbe von der Kugel, wo ich angeschossen wurde. Dann fange ich an Fragen zu stellen.  Hat mich wirklich die Kindergärtnerin immer weggesperrt?  "Ja" sagt meine Mama und erzählt mir unfassbare Geschichten. Ich werde jetzt nicht alles detailliert aufzählen.  Aber es ist alles wahr. Missbrauch, Vergewaltigung, Schussverletzung, Stichverletzung, Beilattacke, Freiheitsberaubung, usw. Alles bewahrheitet sich, und nicht so, dass es so ein Teil ist, der mir immer bewusst war. Sondern es ploppt auf, und haut mich sprichwörtlich aus den Latschen. So heftig, dass ich bewusstlos bin, manchmal Anfälle habe. Die paar Freunde die noch geblieben waren, distanzieren sich. Ich bin alleine. Und ich bin ratlos!

Wie eine Art Wunder habe ich dann meine heutige Frau kennengelernt. Sie hat mich mitgenommen in Gottesdienste in einer freien Gemeinde. Was sich jetzt so flüssig liest, war ein echt langer Prozess. Denn ich dachte damals, dass ich mit Gott fertig bin. Trotz allem körperlichen Sch... habe ich es geschafft Sport zu machen. Sogar wie ein bekloppter hab ich täglich stundenlang trainiert. Ich war rank und schlank, muskelbepackt und austrainiert. Mein Hund und meine Musik waren doch Lebensinhalt genug? Dann war da jetzt noch Petra - und auf einmal war da noch: Gott!

Mehr und mehr wurde ich neugierig! 

Und es war seltsam, ich wurde immer kränker, aber ich fühlte mich immer mehr hingezogen zu Gott! 

Eine echte Alptraum Odyssee begann! Bandscheibenvorfälle, Spinalkanalstenosen, Aortenaneurysma und vieles viele mehr.  Zig Operationen, Zig Folgeschäden, Pflegegrad, Schwerbehindert, Rollstuhl - das ist der Kurzabriss. 

Und mein Kopf? Da ging es genauso auf und ab! 

Hunderte Klinikaufenthalte forderten nicht nur körperlichen Tribut auch die Psyche hat immer mehr abbekommen. Die Krönung war glaube ich eine schwere Depression an deren Gipfel ich auf dem Dach eines hohen Hauses stand, fest entschlossen da jetzt runter zu springen. 

Es passierte etwas sehr seltsames. Ich stand da, und überlegte ob ich jetzt hüpfen soll, oder mich einfach nach vorn über fallen lassen soll. Und dann hörte ich eine Stimme. "Du Feigling!" Ich hab mich voll erschrocken und habe mich umgeschaut. Aber da war niemand! "Wenn Du jetzt springst, ist alles vorbei! Du kannst Dich dem aber auch stellen und Dich beweisen!"  Ich kann gut mit der Vorstellung leben, dass diese Stimme Gott war!

Es war zwar ein langer Weg überhaupt zu erkennen und vor allem zu akzeptieren, dass ich eine komplexe Post-Traumatische-Belastungs-Störung habe, Aber heute stelle ich mich dem ganzen. Es ist nicht so, dass ich mich jetzt mal kurz in eine Klinik lege, Zaubermedizin bekomme und alles ist gut. Man hat mir prophezeit, dass es ein langer Kampf werden wird. Aber diesen Kampf habe ich angenommen. Hey, ich habe lange genug Kampfsport gemacht, Zeit zurückzuschlagen. 

Und Weihnachten? Was ist jetzt eigentlich mit Weihnachten? 

Letztes Jahr Weihnachten: erneute Spinalkanalstenose - aber eine OP habe ich abgelehnt. In der Reha (Anfang 2023) hat man mir gesagt dass mein Stoffwechsel aufgegeben hat. Herz schlecht, kleiner Schlaganfall, Diabetes, usw. 

Also erneut eine Operation. Denn ich war so fett geworden....  145 kg! 

Und man hat damit gerechnet, dass es schwer wird nochmal Weihnachten zu feiern.... 

Das linke Bild war ein paar Tage vor der OP (Juni 23) das rechte ist von heute früh (24.12.2023) - sprich - ich schlage mich doch gar nicht so schlecht, oder? Ich bin aktuell in einer Klinik für PTBS.

Und Weihnachten?  Seit ich durch meine Frau zum Glauben gefunden habe, ist Weihnachten für mich eine riesen Geburtstagsparty, die auf der  ganzen Welt gefeiert wird. Mit dem kitschigen Christkind und Weihnachtsmann habe ich nichts mehr am Hut. Und nur so beiläufig - aus der Kirche bin ich (mit meiner Frau) 2014 ausgetreten. 

Ich glaube an Gott (Vater/Sohn/Heiliger Geist) und lese oft und gerne in der Bibel. Ich erzähle gerne anderen von Gott und feiere so oft es nur irgendwie geht Gottesdienst mit meiner Gemeinde. 

Wie Du auch immer Weihnachten begehst - genieße es! Ich wünsche Dir auf jeden Fall all das was Du Dir selbst wünscht! Und von allem was Du mir wünscht, wünsche ich Dir das doppelte zurück! 

Für 2024 wünsche ich Dir dass alle Deine Ziele, Wünsche und Hoffnungen sich erfüllen!

 

Ich werde übrigens sobald ich wieder daheim bin, wieder Folgen von "Der Talk" auf YouTube produzieren. Natürlich werde ich auch wieder Musik produzieren. Und ich habe mir vorgenommen auch wieder Live zu spielen. Aber zunächst erstmal anders als Du es Dir vielleicht gerade denkst? 

Bis bald!  Happy X-Mas and a happy new Year!