Musiker sein?

Oberflächlichkeit ist in?

Früher war doch alles besser – oder? Ich habe es immer blöde gefunden, wenn ich gehört habe „Früher war alles besser!“ oder „Früher hätte es das so nicht gegeben!“ Oder dergleichen mehr.

Heute denke ich mir „das hat doch gestimmt!“

Im Zeitalter von Internet und Smartphone ist vieles offenbar einfacher geworden, macht aber auch irgendwie unverbindlicher, oberflächlicher.

Vor der Option immer und überall virtuell dabei zu sein, musste man persönlich einstehen. Face-to-Face. Heimliche Kommentare oder ähnliches gab es zwar auch, aber das war weitaus schwerer als heute. Früher galt fast immer „Ein Mann – ein Wort!“ Heute ist es eher so, dass man den Eindruck bekommt „Okay, Worte habe ich schneller getippt, als Du sie lesen kannst!“

Ich ertappe mich selbst immer öfter dabei, dass ich bei allem, was man mir sagt, im Hinterkopf schon die Einsicht habe, dass es der oder diejenige gar nicht ernst meint. Und leider zieht sich das so durch alle Schichten, Klassen, Lebenslagen usw.

Ein Beispiel? Okay:

Früher hat man Leute kennengelernt, die auch Musik machen. Man hat sich verabredet, um mal gemeinsam zu proben, jammen oder ähnliches. Das endete immer darin, dass man sich zusammengesetzt hat, und dann hat man direkt bequatscht, wie es weitergeht. War es positiv, hat man fortan zusammen Musik gemacht. War es nicht positiv, dann hat man sich das vor Ort ins Gesicht gesagt.

Heute liest man auf Facebook & Co von Leuten, die Musiker für Projekte (Bands gibt es offenbar nicht mehr) suchen. Via Nachrichtendienst werden alle möglichen (und unmöglichen) Informationen ausgetauscht. Dann werden Aufnahmen und YouTube-Videos getauscht. Manchmal trifft man sich dann wirklich noch und macht mal ein paar Lieder zusammen, und dann macht man möglichst schwammig aus, dass man ja (mal) was zusammen machen könnte. Leichtgläubige Menschen (so wie ich offenbar einer bin) denken dann, okay – es geht voran. Na ja, bis man dann ein paar Tage danach von den Personen liest, dass sie jetzt eine komplette Band sind (ohne mich) und sich auf die ersten Auftritte vorbereiten.

Einzelfall? Nein – das passiert leider regelmäßig so. Verrückt, oder? Und während man dann natürlich an sich selbst zu zweifeln beginnt, liest man, dass es bei ganz vielen „Projekten“ jetzt so läuft. Und nicht nur, dass sich „Gründungen“ so ominös vollziehen, es ist auch so bei „Trennungen“ so habe ich bei manchem Projekt, oder Musiker, mitbekommen, dass zum Beispiel ein Musiker empört postet, dass er wohl nicht mehr Teil der Band XYZ sei, denn die haben schon einen neuen Auftritt angekündigt, mit neuem Line-up, ohne besagten Musiker.

Früher war eine Band eine starke Gemeinschaft, die vor allem Zusammenhalt lebte. Heute stellen die modernen Musiker von Anfang an klar, dass sie nur auf Honorarbasis mitspielen, und sowieso nur dann mitmachen, wenn sie pro Auftritt mindestens Betrag XYZ bekommen. Hey, nicht nur für Auftritte, auch Proben usw. Früher hat man gemeinsam Songs geschrieben und diese geliebt und gelebt. Heute kannst Du froh sein, wenn der Honorar-Musiker sich das Stück vor einem Auftritt überhaupt mal angehört hat, und der eigene Song wird dann dermaßen an die Wand gespielt, dass Du Deine eigenen Songs hasst!

Auftritte, die gut bezahlt sind, werden immer rarer. Es hat sich längst etabliert, dass man keine Gage mehr bekommt. Geld bekommt man, wenn, dann überhaupt nur von den Gästen, die vielleicht was in den berüchtigten Hut werfen. Aus dem, was da zusammenkommt, da will nicht nur der Honorar-Musiker bezahlt werden. Auch der PA-Verleiher will reichlich Kohle haben. Und nicht vergessen – die Werbung will auch gezahlt werden. Und wenn es dann noch ganz gut organisiert war, dann steht beim Abbau der Wirt mit der Getränke-Rechnung da. Gerne würde man da dann den Auftritt als vergessen abhacken – aber dann kommt noch die GEMA.

Überhaupt ist Musik etwas geworden, was von keinem mehr geehrt wird. Als ich mich für Musik zu begeistern begann, war es nur im Radio möglich Musik zu hören. Für Schallplatten musste ich früher echte kleine Reisen unternehmen. Der nächste Plattenladen war 25 km entfernt und ausschließlich mit Bus zu erreichen. Für eine Single ist dann schon mal das ganze Taschengeld draufgegangen – eine LP musste man sich tapfer zusammensparen. Alleine dadurch war Musik was Besonderes. Heute kann man Musik vollkommen gratis konsumieren. Man klickt Songs an, und laut Statistik entscheiden die Hörer innerhalb von Sekunden, ob ein Lied gefällt oder nicht. Und ganz oft wird halt nach wenigen Sekunden weitergeklickt. Veranstalter, (also die Typen, die Dir eh keine Gage zahlen, und im Extremfall Dich dafür noch abkassieren, dass Du bei ihnen spielst) schauen sich immer zuerst an – wie viele Follower Du bei Facebook & Co hast, und wie oft Deine Songs bei Spotify und Co gespielt werden. Also ein System, das sich von vorne bis hinten selbst in den A… beißt.

Heute muss man also schon ein bisschen verrückt sein, wenn man Musik macht. Oder? Man schleppt Equipment mit sich herum, dass oft den Wert eines Kleinwagens übersteigt, um für ein paar Euro Menschen zu unterhalten, die einfach nur berieselt werden wollen. Man muss da schon sehr lieben, was man macht, um das alles auf sich zu nehmen. Oder?

Ändern wird sich das von alleine nicht mehr. Was kann man denn da tun? Ich bin der Meinung, dass nur wir als Musiker das wieder ändern können. „Strong together!“ Zusammenstehen – wenn wir aufhören uns selbst gegenseitig zu verarschen ist das schon mal ein guter Anfang!

Der Rest – ja der wird sich weisen.