
Manchmal werde ich ganz melancholisch und denke zurück. War früher wirklich alles besser? Als Band-Tier sage ich ohne Umschweife: Ja! Gerade wenn die Erinnerungsfetzen aus der ersten Band-Besetzung hochkommen.
Kleine Anmerkung am Rande: Meine komplexen Krankheiten machen es mir oft schwer, Erinnerungen abzurufen (komplexe PTBS und DIS). Aber die paar Schnipsel, die ich von meiner ersten Band habe, sind positiv. Konkurrenz gab’s da nicht, Neid war ein Fremdwort. Es gab nur diese eine Zutat, die ich heute bei fast allen Bands vermisse: "Wir machen das zusammen – oder gar nicht!" Dieses unbedingte Wir-Gefühl.
Heute? Da zählt, zumindest bei den Bands, die ich so kenne, nur noch das Ziel. Und das wird mit Ellenbogen und rücksichtsloser Effizienz erreicht. Egal, wie viele Leichen man dafür im Keller vergraben muss. Die Ellenbogen-Mentalität hört aber nicht beim Band internen auf, sondern bestimmt auch den Umgang mit den "Kollegen". Dabei ist ein entspanntes Miteinander doch so viel cooler, oder?

Früher war alles Proberaum
Eine meiner Lieblings-Erinnerungen ist die an die guten, alten Musiker-Geburtstagsfeiern. Gefeiert wurde stilecht im eigenen Proberaum. Eingeladen waren alle: Bandmitglieder, die Crew (vom Mischer bis zum Kassier) und natürlich befreundete Musiker und Ex-Kollegen. Nach einem kurzen "Prost!" wurden sofort die Instrumente geschnappt und drauf losgejammt. Wer jetzt glaubt, es wären literweise Schnaps geflossen, irrt gewaltig. Es wurde bis in die frühen Morgenstunden gespielt und gesungen. Teilweise Sachen, die sich kein Publikum der Welt angehört hätte. Wer braucht schon eine 30-Minuten-Version von "Knockin' on Heaven's Door"? Das war schon lange vor Guns'n Roses eine unschlagbare Session-Nummer. Aber hey, manche Songs, wie "Burn", haben da ihre Geburtsstunde gefeiert.

Vom DIY-Plakat zum Kampf um die Kohle
In den 80ern hat sich für mich vieles verändert, als ich von der Rhön ins Allgäu zog. Daheim hat jedes Bandmitglied noch Plakate für Auftritte gemalt. Die hat man dann aufgehängt und der Laden war voll! Im Allgäu war alles anders. Es hat ewig gedauert, bis eine Band stand. Und dann ging der Kampf los: Auf sich aufmerksam machen. Werbung war plötzlich ein Ding. Ich erinnere mich dunkel an die Zeiten, als wir Plakate, Flyer und Zeitungsanzeigen finanzieren mussten. Und das war nur ein Bruchteil der Kosten.
Heute weiß ich: Diese Kosten waren der Nährboden für den Unfrieden. Schließlich waren die Ausgaben da, egal wie viele Leute kamen. Man hat angefangen, zu beäugen, was die anderen so machten. Warum ist es bei denen voll und bei uns will keiner Eintritt zahlen? Wenn es einen selbst traf, gab’s großes Gejammer. Die Vorkosten waren schließlich nicht von Pappe! Und so begann man, die anderen nachzuahmen – beim Musikstil, bei der Optik, einfach bei allem.

Von der Band zum Verein und zurück
Ich wollte immer mit eigenen Songs auftreten. Das macht aber nur Spaß, wenn die Songs auch beim Publikum ankommen. Also hatte ich immer Bands, die beides spielten: Cover und eigene Stücke.
Weil mir der Neid unter den Bands so auf den Zeiger ging, gründete ich in den 90ern eine Initiative, die schnell zu einem Verein wurde: "Junge Musik Aktiv e.V." Am Anfang schien das genau das zu sein, was alle suchten. Es wuchs schnell, ich war ständig auf der Suche nach Räumen, wo wir alle reinpassten.
Der Verein organisierte Konzerte und Festivals. Was super begann, entwickelte sich aber schnell zu einer billigen Konzertagentur. Günstig für die Bands, die sich Auftritte organisieren ließen. Das Wir-Gefühl wurde zum Ellenbogen-Förderprogramm. Jede Band schaute nur noch, möglichst viele Auftritte abzugreifen, wenig zum Verein beizutragen und die Konkurrenz fernzuhalten. Für mich war das der Zeitpunkt, die Segel zu streichen.

Die Hoffnung auf der Bühne: Jam-Sessions
Ich war lange überzeugt, dass es so etwas wie Kollegialität unter Bands nicht gibt. Dann kam etwas in Mode, das den Funken wieder aufleben lässt: Jam-Sessions! Das läuft so: In einer Location wird eine Anlage aufgebaut, Verstärker und Mikros stehen bereit. Musiker kommen, gehen querbeet auf die Bühne und jammen miteinander. Formationen, die es vorher nie gab und die es danach wahrscheinlich auch nicht mehr geben wird. Reine Freude an der Musik! So gibt es wenigstens für einen Abend wieder Kollegialität. Manchmal entstehen sogar Freundschaften oder neue Bands.
Aber auch hier hat sich was eingeschlichen: Komplett-Bands, die die Session als kostenlose Konzert-Plattform missbrauchen. Meiner Meinung nach ist das der Tod jeder Session. Und der Band selbst hilft es auch nicht unbedingt weiter.
Vielleicht sehe ich das alles auch zu verbissen. Ich gehe ab und an auch zu Sessions. Für mich bleibt es die Liebe zur Musik. Ich höre gerne zu, spiele mit den anderen mit. Egal ob ich der Beste oder der Schlechteste auf der Bühne bin.
Wer weiß, vielleicht ist ja genau so eine Session der Grundstein für meine neue Band? Man wird sehen.
Ich würde mir einfach wünschen, dass es wieder mehr Freundschaft und Kollegialität unter Bands und Musikern gibt. Oder sehe ich das zu romantisch?
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